Tartanmuster (Foto: ww)

Wie Whisky oder der Dudelsack – die heute beinahe synonym für Schottland stehen – ist auch der Tartan (Schottisch breacan, Deutsch in etwa „Vielfarbig“), das „Schottenkaro“ zu einem Inbegriff für Schottland geworden. Doch was genau ist eigentlich ein Tartan, wie wird er hergestellt, woher stammt er und auf welchen Wegen ist er zu dem geworden, das er heute ist?

Doch zu aller erst – Was bedeutet das Wort Tartan eigentlich?

Begriff – Herkunft und Deutung

 

Für die Herkunft des Wortes Tartan gibt es heute zwei unterschiedliche Deutungsversuche.

Ansatz Nr. 1: Tartan – von dem französischen Wort tartarin, zu Deutsch in etwa „Tataren-Stoff“

Ein erster Ansatz sieht das Wort Tartan als Ableitung aus dem Französischen, genauer von dem französischen Wort tartarin, zu Deutsch in etwa „Tataren-Stoff“, also Muster, die von Angehörigen des Tataren-Volkes aus Mittelasien getragen wurden.

Ansatz Nr. 2: Tartan – im gälischen Wort tarsainn, zu Deutsch in etwa „gekreuzt“

Ein zweiter Erklärungsansatz sieht die Herkunft im gälischen Wort tarsainn, zu Deutsch in etwa „gekreuzt“. Wobei mit dem Begriff Tartan noch im Jahr 1830 einfarbige Stoffe beschrieben wurden und eine Vermischung der Bedeutungen von Tartan und Breacan hin zu dem, was man heute unter Tartan versteht, erst später stattgefunden hat.

In den USA ist für Tartan vor allem die Bezeichnung Plaid üblich

Auch wichtig zu wissen: In den USA ist anstelle von Tartan vor allem die Bezeichnung Plaid üblich, wobei man in Schottland unter einem Plaid lediglich eine Art Decke, egal welcher Farbe und/oder Musterung versteht.

Wie wird ein Tartan eigentlich hergestellt?

Die WEBEKunstGewoben wird ein Tartan als einfacher Twill, zwei über, zwei unter dem Kettfaden, bei jeder Querung geht es einen Faden voran. Jeder Kettfaden kreuzt jeden Schussfaden im rechten Winkel. Kreuzt der Schussfaden einen Kettfaden gleicher Farbe, entsteht ein einfarbiges Element. Kreuzt der Schussfaden einen andersfarbigen Kettfaden, entsteht eine Mischfarbe. So produzieren zwei unterschiedlich gefärbte Fäden auf dem Webstück drei verschiedene Farben – zwei einfache und eine gemischte.

Webstuhl einer woolen mill auf Islay (Foto: Heinz Fesl)

Je mehr verschiedenfarbige Grundfäden eingesetzt werden, umso mischfarbiger und –wenn man so will- unübersichtlicher präsentiert sich das fertige Stück Stoff. Wurde Tartan früher nur aus unterschiedlich eingefärbten Wollfäden gewoben, gibt es heute beinahe kein Material, das nicht auch als Tartan-Muster vorliegt.

Stellt sich als nächstes die Frage: Wie hat ein Tartan-Muster auszusehen

Das Muster

 

Erste Beschreibungen eines Setts (auch Muster genannt) von Sir Thomas Dick Lauder

 

Eine der ersten Beschreibungen eines Setts mit einer eineindeutigen Zuordnung findet sich in einem Brief von Sir Thomas Dick Lauder an Sir Walter Scott gerichtet, in dem er das Sett der MacLeods von Dunvegan auf der Insel Skye in Farbe und Muster beschreibt.

Verschiedene Setts einer woolen mill auf Islay (Foto: Heinz Fesl)

Scottish Tartans Authority zählte im Jahr 2009 bereits mehr als 7.000 eingetragene, unterschiedliche Tartans

Tartan ist heute eines der, wenn nicht das vielseitigste Muster bei den gewebten Stoffen überhaupt. Die „Scottish Tartans Authority“ zählte im Jahr 2009 bereits mehr als 7.000 eingetragene, unterschiedliche Tartans. Begonnen hat die Registrierung der Tartan-Muster im Übrigen bereits im April 1815, als die „Highland Society of London“, die 1778 bereits gegründet worden war, alle Clan Oberhäupter dazu aufrief, ein repräsentatives Stück ihrer Tartans einzusenden, um das Muster dort mit Namen registrieren zu lassen.

Heute gibt es viele Tartans in drei unterschiedlichen Farbstufen: „modern“, „ancient“ und „muted“.

„Modern“ bezeichnet Tartan, dessen Stoff gefärbt wurde unter Zuhilfenahme chemischer Farbstoffe, die sich in den Zeiten der Industrialisierung, die mit einem Boom der Tartan-Industrie einherging, zunehmend durchsetzten. Günstiger und leichter zu handhaben, liefern diese Farbstoffe kräftige, oft ein wenig dunklere Farben als die ursprünglich verwendeten Naturfarben. „Ancient“ Tartan hat oft einen helleren, weicheren Farbton in Tradition von Stoff, der bereits eine Zeit lang Licht und Benutzung ausgesetzt war und entsprechend verblichen wirkt. „Muted“ Tartan bezeichnet einen Stoff, dessen Farbton zwischen dem kräftigen, modernen und dem verblichenen liegt. Diese Variante hat sich erst in den 1970er Jahren entwickelt und liegt wohl am nächsten zu den mit Naturfarbstoffen gefärbten Garnen.

Ein Blick in die Vergangenheit: Wie wurde der Tartan zu dem was er heute ist

History

Von den erste Spuren über den Versuch das Tragen des Tartan zu verbieten bis hin zu dem Thema wie der Tartan seinen Weg in die Identität der Schotten fand.

 

Erste Spuren

Die frühesten Tartan-Funde im mitteleuropäischen Raum stammen aus dem achten bis sechsten Jahrhundert vor Christus und werden der Hallstatt-Kultur zugeordnet mit ihrem Zentrum nahe des oberösterreichischen Halstatt und Hallein, deren Wurzeln unter anderem keltischer Natur sind. Auch bei den kaukasisch anmutenden Mumien aus dem Tarimbecken, darunter der „Cherchen Mann“, im chinesischen Nordwesten wurden Stoffstücke ähnlich denen der Hallstatt-Kultur gefunden. Das älteste Stück Stoff mit Tartan-Muster, das in Großbritannien gefunden wurde, ist der sogenannte Falkirk-Tartan aus dem dritten Jahrhundert nach Christus, aus der unmittelbaren Nähe des Antonius-Walls bei Falkirk in der Grafschaft Stirling. Das Stück Stoff mit einfachem hell-dunklem Schachbrett-Muster diente als Verschluss eines irdenen Gefäßes gefüllt mit römischen Münzen.

Tartan und die Highland Clans

Offizier der Black Watch, 1743 (Bild: public domain)

Das, was man heute unter Tartan versteht, existiert in Schottland erst seit dem späten 16. Jahrhundert und erst im späten 17. bzw. frühen 18. Jahrhundert finden sich erste Hinweise auf eine Art Uniformität in den Mustern, darunter schriftlich festgehaltene Beobachtungen zu Clan-spezifischen Tartans im Rahmen der Schlacht von Killicrankie 1689. Der schottische Autor Martin Martin, bekannt für sein Werk „A Description of the Western Isles of Scotland“  beschreibt darin 1703 als einer der Ersten dezidiert die Zuordnung unterschiedlicher Tartans zu den verschiedenen Regionen Schottlands. Beginnend 1725 trugen dann die Männer der „Highland Independent Companies“, aus der später die „Black Watch“ hervorging, ihren eigenen Black Watch Tartan, um Assoziationen und Verwechslungen mit anderen Clans auszuschließen.

Der Versuch und das Scheitern das Tragen des Tartans zu verbieten

In den Zeiten des ersten und zweiten Jakobiten-Aufstandes 1715 und 1745 entwickelte sich dann die Verknüpfung von Tartan und Jakobiten. stammten doch die meisten Anhänger der Stuarts aus den vielen Highland Clans, und damit den Trägern der Tartans. Die Verquickung von Tartan und der jakobitischen Causa ging so weit, dass in Folge der Schlacht von Culloden am 16. April 1746 die britische Regierung 1746 den sogenannten Act of Proscription erließ, um weiteren Unruhen und Scharmützeln in der Region vorzubeugen. Teil dieses Act of Proscription war der sogenannte Disarming Act, der verlangte, dass die Bewohner der Highlands bis zum 01. August 1747 sämtliche ihrer Waffen abzugeben hatten, und der Dress Act, der das Tragen jeglichen Tartans und Kilts unter Strafe stellte. Wer Highland Dress trug und erwischt wurde, konnte für sechs Monate ins Gefängnis kommen, oder für einen Zeitraum von wenigstens sieben Jahren in eine der gerade neu entstehenden Kolonien der Krone deportiert werden. Einzige Ausnahme was das Tragen der Highland Montur anging, blieben die Hochland Regimenter der britischen Armee. Sie waren es auch, die in den folgenden Jahren durch ihre klar erkennbare Unterstützung der britischen Krone den Ruf des Tartan und der traditionellen Bekleidung zu rehabilitieren begannen.

Die Schlacht von Culloden, 1746 (Bild: public domain)

Basierend darauf wurde knapp vier Jahrzehnte später 1782 der Dress Act aufgehoben. Schon wenige Jahre später entstanden in den großen Städten Schottlands und später im übrigen Großbritannien auf das Bestreben der Aristokratie hin zahlreiche Highland Societies, die sich dem Erhalt der schottischen Hochland-Kultur verschrieben hatten, wozu auch das Tragen des als klassisch angesehen Highland Dresses gehörte.

Die Weberei „William Wilson & Sons“ aus Bannockburn entwickelte sich ab den 1770er Jahren zum Haupthersteller für die Tartans des britischen Militärs. Wilson hatte Verbindungen zu vielen Familien der Highlands und sammelte Informationen und Schaustücke zahlreicher verschiedener Muster. So hatte er bis 1822 mehr als 200 Setts gesammelt, teilweise nach Familien benannt, teilweise nummeriert und teilweise mit Fantasie-Namen wie „Robin Hood“ versehen, die zwischen 1810 und 1820 unter der Bezeichnung „The Cockburn Collection of named Samples made by William Wilson & Sons“ zusammengefasst wurden, und heute in Glasgows „Mitchell Library“ untergebracht ist.

Ein völlig in Tartan inszinierter Schottland-Besuch des Königs George IV.

Im 19. Jahrhundert erlebte die schottische Kultur, ausgelöst durch das „Ossian“ Gedicht von James MacPherson und die Literatur Sir Walter Scotts einen regelrechten Aufschwung, der 1822 einen Höhepunkt erlebte mit dem Besuch König George IV. in Edinburgh, der als erster Regent in mehr als zweihundert Jahren Schottland einen offiziellen Besuch abstattete. König George IV. folgte nach einem Jahrzehnt als Kronprinz am 21. Juli 1821 seinem Vater George III. endlich auf den britischen Thron. Unbeliebt bei einfachem Volk, adliger Oberschicht und Politik, war der Besuch in Schottland der (gelungene) Versuch des Parlaments, ihren umstrittenen Regenten von der europäischen Politik – in Aufruhr nach den Revolutionen in Frankreich und den USA- fernzuhalten.

George IV. im Kilt während des Besuchs in Schottland, 1822 (Bild: public domain)

Die Organisatoren des Schottland-Besuchs wandten sich in dieser nicht ganz unwichtigen und diffizilen Angelegenheit an einen „Kundigen der Szene“ vor Ort, keinen Geringeren als Sir Walter Scott, Gründer der „Celtic Society of Edinburgh“ (1820). Scott pflegte noch aus den Jugendzeiten des Königs beste Beziehungen zu diesem, zudem kannte er sich in schottischer Folklore bestens aus, und wusste den Moment der Geschichte perfekt zu nutzen, indem er mit viel Pomp und eben vor allem Tartan die Wiedergeburt des alten Schottlands anläslich des Königsbesuches inszenierte. Im Zentrum George IV., den er den Schotten als neuen Jakobiten-König präsentierte, in der Hoffnung, das Gären und zunehmende Aufbegehren in der schottischen Gesellschaft auf diese Weise in eine neue Richtung lenken zu können.

 

 

Der George IV. nahm diesen Plan an und orderte im Juli 1822 bei „George Hunter & Co.“, den Ausstattern von Tokenhouse Yard/London und Princes Street/Edinburgh eine Highland-Garderobe in leuchtendem Rot im heutigen Wert von etwa 110.000 EUR.

Mit Hilfe seines guten Schauspieler- und Regie-Freundes William Henry Murray choreographierte Scott den gesamten, 21 Tage dauernden Besuch des Königs in Edinburgh, die offiziellen Veranstaltungen fanden alle vor Tartan-Dekorationen statt, sämtliche Highland Clan-Chiefs erschienen in komplettem Highland Dress und es gab sogar ein kleines Büchlein mit dem Titel „Hints addressed to the inhabitants of Edinburgh and others in prospect of his Majesty’s Visit by an old citizen“, in dem Kleidungs- und Verhaltensregeln für die Bürger auf der Straße herausgegeben wurden, sowie „Vorschläge“, wie sich die Gäste mit Einladung zu den offiziellen Veranstaltungen zu präsentieren hatten.

Wie der Tartan nachhaltig seinen Weg in die Identität der Lowland- und der Highland-Schotten fand

Dies ließ nicht nur die Nachfrage nach Tartan-Stoffen sprunghaft ansteigen, sondern der Tartan fand beginnend mit diesem Königsbesuch nachhaltig seinen Weg in die Identität der Lowland- und der Highland-Schotten. 1831 erschien James Logans Buch „The Scottish Gael“, das ein stark romantisiertes Bild von den Hochland-Schotten zeichnete. 1842 folgte das „Vestiarium Scoticum“ der Brüder John Sobieski und Charles Allen Hay (später bekannt unter dem Titel der „Sobieski Stuarts“). Die Beiden tauchten 1822 zum ersten Mal in Schottland auf und behaupteten, Enkelsöhne des Charles Edward Stuart, „Bonnie Prince Charlie“ zu sein. Zwei Jahre später folgte dann „The Costume of the Clans“, das den romantischen Enthusiasmus für alle Dinge Highlands weiter nährte, auf dessen Boden im 19. Jahrhundert eine ganze Reihe weiterer Bücher über Tartans erschienen.

Zwanzig Jahre nach dem Besuch George IV. kamen dann Königin Victoria und ihr Mann Prinz Albert das erste Mal nach Schottland. Dort kauften sie 1848 Balmoral Castle und ließen es von einem Architekten vor Ort im Scots Baronial-Stil, der schottischen Version der Neugotik, renovieren. Prinz Albert kümmerte sich persönlich um die Inneneinrichtung und nutzte den Royal Stewart und den grünen Hunting Stewart Tartan für Teppiche, Dress Stewart für Polster und Vorhänge. Victoria entwarf den Victoria Tartan, Albert den Balmoral Tartan (1853), die Beide heute noch von der Königsfamilie benutzt werden. Die Beiden verbrachten vergleichsweise viel Zeit auf Balmoral Castle, es fanden zahlreiche Festivitäten im Highland Stil statt mit Dudelsackspielern und Gästen gekleidet in Tartan. Doch während die höhere Gesellschaft festlich gekleidet feierte, wurde die einfache Landbevölkerung weiter schonungslos von ihren Farmen vertrieben um Platz für die im Vergleich zum Crofting, der traditionellen, kleinparzelligen Landwirtschaft, deutlich lukrativere Schafzucht zu schaffen. Die Clearances waren in vollem Gange.

Und Wer darf eigentlich welchen Tartan tragen?

Dress Code Seit der Zeit Königin Victorias haben sich in der Gesellschaft bestimmte Vorstellungen entwickelt, welcher Tartan von wem getragen werden darf und welche Tartans ganz bestimmten Personenkreisen vorbehalten bleiben sollten.

Mit der Ausnahme von eingetragenen Marken gibt es keinerlei geschriebener Gesetze – allerdings eine ganze Reihe ungeschriebener welcher Tartan von wem getragen werden darf.

Geschriebene Gesetze gibt es dazu keine (mit Ausnahme der Eintragung als Marke wie beispielsweise die charakteristischen Muster von Burberry oder Barbour), allerdings eine ganze Reihe ungeschriebener. So gibt es manche Tartans, die Jeder tragen darf, oft als universal tartan oder free tartan bezeichnet. Ein solcher ist der der Black Watch, oder der Caledonian oder der Hunting Stewart Tartan. Mancher Tartan (Balmoral zum Beispiel), der der britischen, königlichen Familie zugeordnet ist, darf von sonst Niemandem getragen werden. Zahlreiche Bücher über das schottische Clan-System beinhalten teilweise ganz unterschiedliche Regeln für das Tragen von Tartan. So besteht in manchen eine Übereinkunft, dass Kinder, die den Nachnamen ihres Vaters tragen, auch zu diesem Clan gehören und entsprechend den dazugehörigen Tartan tragen. Heißen die Kinder nach der Mutter, gehören sie zu deren Clan und tragen entsprechend dessen Tartan. Manchmal wird der Tartan sogar als Eigentum des Clan Oberhauptes angesehen, der den Angehörigen seines Clans lediglich das Recht einräumt, diesen Tartan zu tragen.

O Flower of Scotland
When will we see
Your like again,
That fought and died for,
Your wee bit Hill and Glen,
And stood against him,
Proud Edward’s Army,
And sent him homeward,
Tae think again.

Muster des Tartan „Flower of Scottland“ (Bild: Tartan Scottish Register)

Flower of Scotland Tartan: Ein häufig getragener Tartan der dem Songwriter und Sänger Roy Williamson des Titels „Flower of Scotland“ gewidmet wurde – die inoffizielle Nationalhymne Schottlands.

Einer der heute sehr viel und sehr oft getragenen Tartans ist der sogenannte Flower of Scotland Tartan, den das House of Edgar, einer der weltweit führenden Spezialisten in Sachen Tartan und Highland Dress 1991 dem verstorbenen Roy Williamson, einer der beiden Sänger des bekannten Duos „The Corries“ widmete. Roy Williamson hatte 1960 die Musik und den Text zu dem Stück „Flower of Scotland“ verfasst, das sich innerhalb weniger Jahre als Schottlands inoffizielle Nationalhymne etabliert hat und mit dem noch heute die meisten Veranstaltungen in Schottland und überall auf der Welt ausklingen.

mehr zum Thema Tartan im Artikel „Whisky & Tartan – Destillerien und ihr Schottenkaro“